Tod
Browning
Wer vom
klassischen amerikanischen Horrorfilm spricht, dem so genannten
Gothic Movie, der kommt gewiss an einem Namen nicht vorbei,
nämlich an Tod Browning. Im besonderen Maß gilt
dies natürlich für das Subgenre des Vampirfilms,
war Browning doch der Regisseur der legendären ersten
Tonfilmadaption der berühmten Romanvorlage von Bram
Stoker, Dracula,
mit dem er einen frühen Überklassiker schuf und
auf einen Schlag den ungarischen Schauspieler Bela
Lugosi weltberühmt machte, dessen Verkörperung
der Titelfigur für die nächsten rund 30 Jahre das
Maß aller Dinge bleiben sollte, bis Christopher
Lee die Rolle Ende der 1950'er Jahre übernahm und
völlig neu interpretierte und damit quasi die Ära
der Hammer Films einläutete,
aber das ist eine andere Geschichte. Hier und heute soll es
uns um - sie ahnten es bereits - Tod Browning gehen.
Charles
Albert "Tod" Browning, der am 12. Juli 1882 (manchen
Angaben zufolge auch 1880, doch wir sind geneigt den Quellen
glauben zu schenken, die 1882 als Geburtsjahr anführen)
in Louisville im US Bundesstaat Kentucky geboren wurde, entstammte
einer wohlhabenden Südstaatenfamilie, der es gelungen
war, das Vermögen über den Bürgerkrieg zu retten.
Im Alter von 16 Jahren riss Tod unter dem Einfluss der Schriften
von Mark Twain und einer Tänzerin, in die er sich verliebt
hatte, zu hause aus und schloss sich einem Wanderzirkus an,
für den er etliche Jahre als Clown und Akrobat arbeiten
sollte. Rückblickend sei dies die glücklichste Zeit
seines Lebens gewesen, gab Browning später einmal an.
Die Eindrücke, die Browning in jenen Jahren gewonnen
hatte, sollten jedenfalls nicht ohne Einfluss auf seine späteren
Arbeiten in Hollywood bleiben, wie wir noch sehen werden.
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Nach seiner
Zirkuszeit schloss Browning sich dem berühmten Vaudeville Theater
an und tingelte einige Jahre lang als Stand up Comedian durch die
Lande. 1914 fand er sich schließlich in einem aufstrebenden
Vorort von Los Angeles wieder, in Hollywood, wo man eifrig am Durchbruch
des noch jungen Mediums Film arbeitete. Browning erkannte die Möglichkeiten,
die sich daraus ergaben, sowohl die künstlerischen wie die
finanziellen und beschloss, dass dies seine Zukunft sein sollte.
Er heuerte als Regieassistent bei einigen kleineren Produktionen
an und lernte schnell, so wurde der damals bereits berühmte
Regisseur W.D. Griffith auf ihn aufmerksam und engagierte ihn als
seinen Assistenten für den Stummfilmklassiker "Intoleranz".
Browning und Griffith freundeten sich an, was Browning weitere Türen
in der noch jungen Traumfabrik öffnete. Zu jener Zeit begann
Browning auch selber Drehbücher zu verfassen, ihn drängte
es zu eigenen Projekten. 1917 war es so weit, mit kleinem Budget
durfte er den Film "Jim Bludso" inszenieren, der allerdings
noch keine hohen Wellen schlug. Seinen ersten wirklich großen
Erfolg als Regisseur durfte er 1920 mit dem Film "The Virgin
of Stamboul" feiern, den er für Carl Laemmle bei Universal
gedreht hatte. Im Folgejahr drehte er - ebenfalls für Universal
- "Outside The Law" und lernte hierbei den Schauspieler
Lon Chaney kennen, mit dem ihn bald eine
enge Freundschaft verband. Dieser überredete Browning auch
dazu, sich vorerst um sein Alkoholproblem zu kümmern, was ihm
recht erfolgreich gelang.
Um die Mitte
der 1920'er Jahre hatte sich Browning mit Erfolgsfilmen wie "White
Tiger" oder "A Dangerous Flirt" als solider Regisseur
einen guten Namen gemacht. Seinen Aufstieg in die Major League Hollywoods
gelang ihm schließlich endgültig 1925 mit dem Klassiker
"Die unheimlichen Drei" (original "The Unholy Three"),
in dem er erstmals den Zirkus als Filmmotiv thematisierte. Bei der
Universal hatte inzwischen die Ära Irvin Thalbergs begonnen,
der Browning in besonderem Maße schätzte, was dieser
mit großem Respekt und einigen hochkarätigen Kassenschlagern
für die Firma honorierte, unter anderem "Der Rabe von
London" (original "The Blackbird"), "Der Unbekannte"
(original "The Unknown"), "Der Schrecken von Singapur"
(original "The Road to Mandalay") und schließlich
London
after Midnight, den zumindest im Horrorfach zum Mythos gewordenen
Film schlechthin (weil inzwischen höchstwahrscheinlich unwiderbringlich
verschollen), in welchem Lon Chaney einen Kommissar spielt, der
sich in bizarrer Verkleidung und wilder Maske als Vampir ausgibt
um einen Mordfall aufzuklären. Der Film geriet zu einem unglaublichen
Triumph sowohl für Browning wie für Chaney, der seinen
Ruf als Horrorstar, als "Mann der tausend Masken", endgültig
gefestigt hatte.
1931 realisierte
er nach aufwändigen Vorbereitungen und komplizierten Rechteverhandlungen
sein vorläufiges Meisterwerk Dracula,
für den ursprünglich Brownings Intimus Chaney die Titelfigur
verkörpern sollte, doch dieser verstarb knapp zehn Wochen vor
Drehbeginn an Krebs. Nach einigem Hickhack ging der Part bekanntlich
an Bela Lugosi, der Rest ist sozusagen Legende. Browning, inzwischen
fast 50 Jahre alt, befand sich nun auf seinem Zenit. Endlich gedachte
er sich nun sein lang gehegtes Wunschprojekt "Freaks"
zu erfüllen, einen Film, der wieder im Zirkusmilieu angesiedelt
ist, und in dem kleinwüchsige und missgestaltete Darsteller
die Hauptrollen spielen sollten. Bei der Universal erkannte man
sogleich den gesellschaftlichen Sprengstoff, der sich hieraus ergab,
sollten doch die einzigen "normalen" Darsteller allesamt
als gierig, verbrecherisch und moralisch verkommen dargestellt werden,
die "Verunstalteten" im Gegensatz dazu als funktionierende
"Gegengesellschaft", die nach dem Auge um Auge Prinzip
funktioniert und aus der verbrecherischen Schönheit, die den
kleinwüchsigen aber wohlhabenden Hans aus Berechnung ehelicht
um diesen mithilfe ihres Geliebten, des Zirkuskraftmenschen, zu
vergiften und Hansens Vermögen zu erben, selber in eine Kirmesbudengestalt,
ein Mischwesen aus Mensch und Geflügel, verwandelt wird. Da
Universal nicht wollte, schlug MGM zu, der ewige Konkurrent, noch
immer von der Zugkraft des Namens Tod Browning überzeugt.
Der Film wurde
zu einem gigantischen Flop. Zwar mochten die Menschen in Amerika
zur damaligen Zeit beispielsweise einen Boris
Karloff feiern, der eine missgestaltete, aus Leichenteilen zusammengeflickte
und mit elektrischem Strom ins Leben gerufene Kreatur verkörperte,
aber echte "Freaks", das ging eindeutig zu weit. Inkonsequenterweise
gestand Browning ein, dass er einen Fehler gemacht hatte, wohl um
seine Karriere zu retten. Man gab ihm noch eine Chance, so durfte
er für MGM 1933 "Fast Workers" drehen, einen Film
über die Stahlarbeiter, die Tag für Tag auf den Baustellen
der Wolkenkratzer ihr Leben riskierten - echter amerikanischer Heldenstoff
eben. 1935 durfte sich Browning dann noch einmal einen alten Wunsch
erfüllen - und zu dem Genre zurückkehren, das ihn groß
gemacht hatte, er drehte mit Das
Zeichen des Vampirs ein Tonfilm Remake seines eigenen Klassikers
"London after Midnight" mit Bela Lugosi in der Rolle des
vermeintlichen Vampirs. Der Film fiel beim damaligen Publikum gnadenlos
durch, denn ein Streifen um vermeintlichen Vampirspuk, der sich
am Ende als simple Mörderjagd entpuppte, mochte das Publikum
zur großen Zeit der Monstermovies nicht akzeptieren, obschon
"Mark of the Vampire" Browning insgesamt rein filmisch
betrachtet um ein vielfaches atmosphärischer, gruseliger und
schöner geriet als sein "Dracula" - und das nicht
nur aus heutiger Sicht. So befand sich Brownings Stern allmählich
gewaltig im Sinkflug.
In der Folge
realisierte Browning noch ganze zwei Filme für MGM: "Die
Teufelspuppe" (original "The Devil-Doll") von 1936
und letztlich "Miracles for Sale" aus dem Jahre 1939,
beide nicht eben mit großem Erfolg gesegnet.
Tod Brownings
Hollywoodkarriere war im Eimer. Er zog sich mangels Angeboten vollständig
aus dem Filmgeschäft zurück, begann wieder zu trinken
und arbeitete noch eine Weile als Berater an einem Buch über
die klassischen Hollywood Horrorfilme mit. Schließlich geriet
er nahezu in Vergessenheit.
Am 6. Oktober
1962 verstarb er im Alter von 80 Jahren (oder eben 82, wenn Sie
den anderen Quellen vertrauen möchten) pleite, alkoholabhängig
und allein an den Folgen einer Krebsoperation. Zu jener Zeit war
das den Medien kaum eine große Meldung wert, zumal sein Tod
bereits in den 1950'er Jahren aufgrund einer Falschmeldung bereits
einmal verkündet worden war und sich kaum jemand größere
Mühe gegeben hatte, dies zu revidieren.
Tod Browning
hat diesen unwürdigen Abgang gewiss nicht verdient, denn fürwahr
darf man ihn mit Fug und Recht als einen der großen Visionäre
der klassischen Hollywoodära jener Jahre bezeichnen.
Dracula,
Tod Browning, 1930
London
um Mitternacht, Tod Browning, 1927
Zeichen
des Vampirs, Das , Tod Browning, 1935
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