Derzeit online

386
Filme
125
Bücher
34
Biographien
50
Hörspiele
Reviews in English

 

 

 

 

 

 

 

Trouble every Day
AKA: Gargoyle

Frankreich, 2001, Farbe, 101 min
 
Regie: Claire Denis
Produzenten: Jean-Michel Rey, Philippe Liégois, Georges Benayoun
Drehbuch Claire Denis, Jean-Pol Fargeau
Musik:  
Kamera: Agnès Godard
 
Vincent Gallo Shane
Béatrice Dalle Coré
Tricia Vessey June
Alex Descas Léo
Florence Loiret-Caille  
Nicolas Duvauchelle  

Shane, ein amerikanischer Wissenschaftler, und seine frischgebackene Ehefrau June verbringen ihre Flitterwochen in Paris, der Stadt der Verliebten. Doch etwas scheint nicht zu stimmen, denn das wohlige Gefühl der Zweisamkeit will sich nicht so recht finden lassen. Wir ahnen recht rasch, der junge introvertiert wirkende Forscher hat ein größeres Problem mit seiner Libido.
In Wahrheit begab sich Shane auf den Trip an die Seine hauptsächlich, um seinen alten Kollegen, den Arzt Léo Sémeneau zu finden, mit dem und dessen Frau Coré er einst an einem Forschungsprojekt in Südamerika arbeitete, und das offenbar nicht nur sein Leben grundsätzlich veränderte, wie wir noch erfahren werden.
Léo veröffentlichte nach ihrer gemeinsamen Zeit einen aufsehenerregenden Artikel, welcher in den Zirkeln der wissenschaftlichen Eliten nur zu Unverständnis führte, bei Shane aber, der ja zum Kreis der "Eingeweihten" gehört, Hoffnung auf Linderung, gar Heilung seines "Leidens" weckt. Doch Léos Reputation als ernstzunehmender Forscher ist dank der Publikation ruiniert. Folge: er zog sich zurück, und nun weiß niemand, wo er zu finden ist.
Der gute Léo hat sich nun, was Shane nicht weiß, am Stadtrand als Arzt niedergelassen, und führt da die bittere Existenz eines Doppellebens.
Er ist eigentlich ein freundlicher, sanfter Mann. Bei seinen finanzschwachen Patienten drückt er gern mal ein Auge zu, wenn diese kein Geld haben um seine Rechnungen zu bezahlen, er liebt Coré, seine Frau, über alles, doch er muß sie tagtäglich, wenn er aus dem Haus geht, einsperren, denn sie hat ein schreckliches Problem: sie ist auf pathologische Weise auf Blut fixiert. Wenn ihr Verlangen übergroß wird, tötet sie. Léo lässt dann die Leichen verschwinden, doch so kann das nicht weitergehen! Ihr Fegefeuer droht zur Hölle zu werden, immer häufiger äußert Coré den Wunsch, sterben zu wollen, doch der Trieb, das Verlangen nach Blut, ist übermächtig.
Und wiederum ahnt der Zuschauer, Shane plagt ein ähnliches Ungemach. June jedoch ahnt nichts von alledem und versteht das abweisende Verhalten ihres Gatten nicht, kann seine Zerüttetheit nicht nachvollziehen und fühlt sich verletzt, missachtet.
Da erhält Shane einen Hinweis von einer Krankenschwester, die zuletzt mit Léo arbeitete, auf dessen Aufenthaltsort.
Als er Léo und Corés Haus aufsucht, findet er die verstörte Frau blutüberströmt vor, sie hat kurz zuvor ein neues Opfer getötet.
Als symbolischen Akt legt Shane Feuer, Coré kommt in den Flammen um, doch der seinerseits Besessene muß sich nun seinen eigenen Dämonen stellen.
Zurück im Hotel bedrängt er ein Zimmermädchen, verführt sie, tötet sie schließlich und trinkt ihr Blut.
Als June zurückkehrt, steht Shane unter der Dusche und wirkt erstaunlich entspannt. Er sagt, es gehe ihm nun gut und er möchte heim, zurück in die Staaten.
Ist Shanes Blutdurst nun befriedigt?


Wir wissen es nicht, wie so vieles von dem, was in Claire Denis Film geschieht oder auch nicht!
Offen gestanden können wir uns auch nicht für den tatsächlichen Varlauf der Geschichte, wie er hier wiedergegeben wurde, verbürgen, doch so haben wir es verstanden und interpretiert. Im Grunde ist die Geschichte, das Warum und Wie, gar nicht wichtig, wird von Regiesseurin Denis auch nur sehr fragmentarisch dargestellt, quasi angedeutet.
Sex, Liebe, Kannibalismus / Vampirismus sind die Eckpfeiler dieses Horrordramas, das in seiner Machart sicher der ungewöhnlichsten eines ist.
Die Wirkung der Bilder, die, schockierend und faszinierend zugleich, meisterhaft von Kamerafrau Agnés Godard eingefangen worden sind, sind zunächst erst mal der überwältigendste Eindruck, den uns dieser Film vermittelt. Und was für Bilder liefern uns Denis und Godard (ein Name, der verpflichtet?) hier. Wir sehen fast orgiastisch wirkende Blutgemetzel, die unversehens über uns hereinbrechen und in ihrer Krassheit völlig im Gegensatz zu dem sonst doch eigentlich eher behäbigen Verlauf des Filmes stehen.
Fast könnte man hier einmal mehr den abgeschmackten Begriff von der Ästhetik des Ekels bemühen, doch das scheint zu billig und einfach.
In einem üblichen Vampirfilm setzen wir eine phantastische Situation voraus, es ist klar, hier gibt es übersinnliche Wesen namens Vampir, wir begeben uns praktisch in eine Art Märchenland. In "Trouble every Day" kommt der Horror aus einer ganz anderen Ecke. Normale Menschen werden zu Bestien und niemand weiß warum. Das macht den Film tatsächlich unheimlich.
Die Vergangenheit wie die Gegenwart der Figuren, somit die Story selber, muß sich der Zuchauer erarbeiten, reichlich mühsam sogar. Man hat sich durch langatmige Strecken zu bemühen, die, Sorry, die Aufmerksamkeit reichlich strapazieren.
Dabei kapieren wir das Gebahren von Shane und Coré, ähnlich wie die Figur June, nicht wirklich, müssen uns unseren eigenen Reim machen und verstehen dennoch eigentlich nichts...oder vielleicht eben gerade deshalb nicht.
Mitunter erinnert das an David Lynch, doch Denis' Stil, will sagen ihre persönliche Handschrift, ist zu eigen um da so einen blöden Gedanken ans Abkupfern zu verschwenden. Man täte ihr doch sehr unrecht damit. Frau Denis war Regieassistentin bei den Großen des Independentkinos, bei (vom Rezensenten) überaus geschätzten Meistern wie Jim Jarmush oder Wim Wenders, doch hat sie, was ihren persönlichen Stil angeht, jene längst überflügelt, den Einen weniger, den Anderen mehr.
Doch darum soll es hier jetzt gar nicht gehen.
Claire Denis hat, man muß es leider so sagen, diesmal allerdings mit ihrem Co-Autoren Jean Paul Fergeau den Bogen etwas überspannt bzw. ausgereizt. Es sind eben nicht nur Längen entstanden (laaange Längen...) wir kriegen Shane, Léo und Coré einfach nicht zu fassen, würden gern mehr über sie und ihr Schicksal wissen, doch Denis erlaubt es uns nicht
Klar, Independent Superstar Vincent Gallo, Egomane ja auch per excellence, wie die große Beatrice Dalle, fast 40 und noch immer und gerade hier, eine echt wunderschöne und unglaublich gefährlich wirkende Femme Fatale (sie wird wohl niemals ihr Betty Blue Image los, doch diese Rolle liegt ihr auch wie keiner zweiten), geben mehr als den vollen Körpereinsatz füt ihren Part und sind überaus brillant. Besonders die Dalle, die in diesem Fall ja so gut wie keinen Text hat und nur über ihre Ausstrahlung, ihre Darstellung, das von ihr verkörperte Wesen gibt, ist zu loben. Das ist wahre, große Schauspielkunst.
Herr Gallo indes sieht mit Schnauzbart und halblangen Haaren beinahe aus wie eine 1 zu1 Kopie von Vlad Tepes, gewollt oder nicht, wir wissen es nicht, aber ein netter Gag am Rande.
Die todtraurige und mitunter recht unheilversprechende Musik zu dem Film liefern uns die Berufsmelancholiker Tindersticks, die der Rezensent, auch wenn das gerade vielleicht anders klang, mit Verlaub, toll findet.
Bei so vielen großen Namen - Denis, Dalle, Gallo, Tindersticks - will man ja eigentlich nur voll des Lobes sein, und doch, es will nicht recht gelingen. Der Film ist ein Biest, das man als Kritiker nur schwer in den Griff kriegt. Tolle Darsteller, gute Musik und grandiose Bilder entschädigen letztlich nicht das Gefühl der Langeweile, das sich - leider - irgendwie in den ersten beiden Dritteln des Films erst schleichend, später beinahe quälend, einstellt. Wenn es dann doch noch richtig spannend wird, ist es auch schon wieder vorbei und lässt uns mit mehr Fragen als Antworten allein.
Gewollt oder nicht, auch eben dies müssen wir uns einmal mehr fragen.
Ist es nicht üblicherweise so, dass ein Film den Zuschauer mit einer Geschichte unterhält? Gut, der künstlerische Ansatz darf natürlich jederzeit darüber hinaus gehen, ein Film darf Fragen stellen, mahnen, hinweisen, was auch immer, nur sollte dies nicht zum Selbstzweck werden, hier bleibt mitunter etwas von diesem Nachgeschmack.
Es ist Claire Denis leider nicht gelungen, eine nachvollziehbare Geschichte zu erzählen und uns über einen Großteil des Films zu unterhalten.
Nach langem Ringen müssen wir den Film leider als eher misslungen betrachten.
Schade...

       




2001 - 2009 by  webmaster@vampire-world.com       Stand: 06.01.2004 Seitenanfang nächste Seite