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Vampyr - Der Traum des Allan Grey
AKA: L' Étrange aventure de David Gray, Adventures of David Gray, Castle of Doom, Not Against the Flesh, The strange Adventure of David Gray, The Vampire, Vampyr, Vampyr, ou l'étrange aventure de David Gray

1931, SW, 65 min.
 
Regie Carl Theodor Dreyer
Buch Carl Theodor Dreyer/Christen Jul
Literarische Vorlage "Carmilla" von Sheridan Le Fanu
Kamera Rudolf Manté, Louis Néé
Musik Wolfgang Zeller
Produzent: Baron Nicolas von Gunzburg
 
Baron Nicolas von Gunzburg David Grey
Henriette Gérard Marguerite Chopin
Maurice Schutz Burgherr
Sybille Schmitz Léone
Renéé Mandel Gisèle

Der Reisende Allan Grey, ein sensibler junger Mann mit offensichtlichen seherischen Fähigkeiten, kommt in das Dorf Courtempierrre und steigt dort in einem Gasthof ab. Direkt fällt ihm die morbide Atmosphäre des seltsamen Ortes auf: es ist nahezu körperlich spürbar, das hier was nicht stimmt. Des Nachts kommt ein alter Mann in sein Zimmer, wiederholt immer wieder den Satz, "Sie darf nicht sterben!" Bevor der Alte wieder verschwindet, hinterlässt er Grey ein Päckchen mit der Auflage, es erst nach dem Tode des seltsamen Besuchers zu öffnen.

Grey beginnt die Gegend zu erkunden, gerät in ein seltsames Schattenreich und trifft merkwürdige Gestalten. Schließlich verfolgt er den Schatten eines einbeinigen Soldaten zu einem abseits gelegenen Schloß. Hier beobachtet er durch ein Fenster, wie der Schatten den Hausherren, in dem er seinen nächtlichen Besucher erkennt, erschießt. Grey wird im Schloß aufgenommen, in dem noch die zwei Töchter es Verblichenen Gisele und Leone und ein altes Dienerpaar leben. Er öffnet das Päckchen des Toten und findet ein Buch über Vampirismus vor. Da verschwindet Leone, die an einer seltsamen Blutarmut dahinsiecht. Grey und Gisele entdecken sie im Park, wo sich eine runzlige Alte über sie beugt, die sofort verschwindet als sie die beiden sieht.

Ein äußerst zwielichtiger Arzt trifft im Schloß ein und bittet Grey um eine Blutspende für die geschwächte Leone. Grey willigt ein, fällt aber während der Transfusion in einen Dämmerzustand, der ihm Halluzinationen und Fieberträume beschert. Er sieht sich selbst als Toten im Sarg liegen, der Schattensoldat, der Arzt und die Alte aus dem Park erscheinen und der junge Reisende erlebt durch ein Fenster im Sargdeckel die eigene Beerdigung. Er erwacht aus seiner Trance und erkennt nun die Zusammenhänge: die Alte ist Marguerite Chopin, eine Vampirin, der Arzt und der Soldat stehen mit ihr im Bunde. Mit Hilfe des Schloßdieners wird die Vampirin gepfählt, der Arzt und der Soldat kommen ebenfalls ums Leben. Leone ist gerettet und das Dorf vom Fluch des Bösen befreit.


Dieser Film ist eine Legende, von vielen Kritikern und Fans als DER Vampirfilm, wenn nicht gar DER phantastische Film überhaupt gefeiert.
Nun, kann man so sehen, muß man aber nicht, um hier mal ein gebräuchliches Idiom zu zitieren.

Was den Freunden dieses Films eben jenen so außergewöhnlich macht, ist seine morbide und surreale Atmosphäre. Es gibt nur wenige Dialoge, in der Art eines Stummfilms werden stattdessen immer wieder Schrifttafeln eingeblendet, die den weiteren Verlauf der Handlung erklären. Auch die Schauspieler, übrigens bis auf Sybille Schmitz, die später Karriere bei der UFA machte, allerdings dann nicht mehr drehen durfte weil Goebbels sie angeblich haßte (und sie ihn erst!) und schließlich leider dem Suff erlag, allesamt Laiendarsteller, die der dänische Regisseur Carl Theodor Dreyer und sein Geldgeber Baron Nicolas von Gunzburg, der unter dem Pseudonym Julian West die Hauptrolle übernahm, von der Straße und aus Kneipen engagierten (heieiei, das waren jetzt aber reichlich viele Nebensätze!), agierten im übertriebenen Ausdruck der Stummfilmdarsteller aus der expressionistischen Ära einige Jahre zuvor.

Die Art, wie die Aufnahmen ausgeleuchtet sind, sowie teilweise vorbelichtetes Filmmaterial, ein Effekt, den Dreyer und sein Kameramann Rudolf Mate angeblich einer Art "Unfall" verdanken und zufällig entdeckt haben sollen, verleihen den Bildern oft eine Art Weichzeichnung, was den Film älter erscheinen lässt, als er ist. Die bizarren Schattenspiele, deren Aufnahmen teilweise rückwärts abgespielt werden, tun ein übriges. So vermittelt der Film eine ganz eigene unheimliche, fast apokalyptische Stimmung. Der Zuschauer weiß nie, spielen sich die Szenen nun im realen oder irrealen, also in der schieren Vorstellung der Hauptperson ab. Vieles bleibt der Fantasie des Betrachters vorbehalten.

Mit Murnaus Überwerk "Nosferatu", der ja seinerzeit eine neue Dimension des Schreckens in das Genre einführte, kann sich der Film in der Betrachtung des Verfassers dieser Zeilen aber nicht messen. Dennoch, gruselig ist's allemal.

Bleibt zu erwähnen, die Negative der drei verschiedenen Sprachfassungen - es wurde seinerzeit in deutsch, englisch und französisch gedreht, d.h. es existierten im Prinzip drei unterschiedliche Originale - gelten leider als verschollen. So mußte für die rekonstruierte Fassung, die der Kulturkanal arte 1998 bei der renommierten italienischen Filmwerkstatt Cineteca Bologna in Auftrag gegeben hatte, auf unvollständige Kopien deutscher und französischer Sprache zurückgegriffen werden, weshalb der Film auch wohl annähernd in Origanallänge nicht mehr erhältlich sein dürfte.

Ob derzeit grundsätzlich überhaupt noch andere Versionen von "Vampyr" als die hier besprochene von '98 im Umlauf sind, entzieht sich leider der Kenntnis der Vampireworld.
Eine Anmerkung zum Schluß, die sich besonders an die Freunde der LeFanu Novelle "Camilla" richtet: Auch wenn diese als literarische Vorlage dem Streifen zugrunde liegt, so muß doch klar sein, daß Dreyer hier sei frei interpretierte. Dennoch gilt "Der Traum des Allan Grey als gelungenste Adaption des Werkes. Am besten, Ihr macht Euch Euer eigenes Bild dieses eigenwilligen Meisterstücks des Vampirfilms.



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