Die
Stimme der Finsternis (OT: Child of an Ancient
City)
Untertitel |
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Autor |
Tad
Williams , Nina Kiriki Hoffman |
Kategorie |
Roman |
Seitenzahl |
169 |
Format |
Hardcover |
deutsche
Übersetzung |
Peter
Torberg |
Erstveröffentlichung |
1992 |
Verlag |
Klett-Cotta |
ISBN-Nummer |
3-608-93203-8 |
"Hört mich also an." Die Kreatur schien in der dunklen
Tiefe des Basumes erneut ihre großen Flügel auszubreiten.
"Hört mich an. Ich biete euch freien Abzug aus meinem
Reich an. Wir werden eine Wette schließen, wenn ihr so wollt;
wenn ihr mich besiegt, dürft ihr gehen, und ich kehre wieder
zu den modrigen, dickblütigen Bauern der Täler hier zurück."
Und damit brach die furchterregende Kreatur in Lachen aus, ein Geräusch,
als ob man Borke vom Stamm eines Baums riß. Dann war der Schatten
verschwunden.
Der Kalif von
Bagdad entsendet eine Karawane in den Kaukasus, die reich beladen
mit Geschenken für den armenischen Großfürsten,
mit dem Bagdad Handel zu treiben gedenkt, auf dem unbekannten Terrain
von einer brutalen Räuberbande überfallen wird. Fast die
gesamte Karawanenschaft wird niedergemetzelt, nur eine gute Handvoll
Männer, unter ihnen der junge Masrur, der zum Berichterstatter
der Ereignisse wird, und der militärisch erfahrene Haudegen
Ibn Fahad, können entkommen und fliehen in die unwirtliche
und ihnen unheimlich erscheinende Bergwelt des Grenzgebirges zwischen
Orient und Okzident.
Fast allein
auf sich gestellt - nur ein junger Hirte und ein Mädchen, das
diesen liebt, schließen sich mehr oder weniger freiwillig
den Arabern an - versuchen die Männer den langen Heimweg anzutreten
und kommen auch anfangs gut voran, dann erreichen sie schließlich
ein Gebiet, das von einem Vampir beherrscht wird, wie der Hirtenjunge
weiß. Doch die gottesfürchtigen Moslems schenken den
Warnungen keinen Glauben, was sich als fataler Fehler erweist, denn
schon bald setzt das große Sterben ein. Nacht für Nacht
holt sich der Vampir einen nach dem anderen der Männer, dessen
blutleere Leichen sie jeweils am Folgetag entdecken.
Masrur und Ibn
Fahad greifen zum einzigen Mittel, dessen sie habhaft sind um sich
gegen das Monster zu verteidigen: sie erzählen sich fortan
in jeder Nacht bis zum frühen Morgen Geschichten an ihren Lagerfeuern
um den Vampir zu bannen, und tatsächlich, es funktioniert.
Aus dem Hintergrund lauscht der Unheimliche den Erzählungen
der fremden Männer.
Eines Tages
tritt er aus der Stille hervor und fordert die Gruppe zu einem Erzählwettstreit
auf. Es gilt, die allertraurigste Geschichte zu berichten. Schaffen
es unsere Freunde, eine Geschichte zu erzählen, die anrührender
ist als die, die das unheimliche Wesen zu erzählen hat, so
sollen sie frei sein und gehen können, wohin sie wollen, verlieren
sie, muss sich einer von ihnen aus freien Stücken dem Vampir
hingeben.
Zwangsläufig
lässt sich die Gruppe auf den faustischen Pakt ein und die
Männer spinnen Erzählgarn um ihr Leben. Als sie schon
aufatmen wollen, beginnt der Vampir die Geschichte vom Kind aus
der uralten Stadt zu erzählen...
Die Einen bekommen
schon allein beim ehrfürchtigen Raunen des Verlagsnamens feuchte
Augen, andere ebenfalls, allerdings gewiss nicht aus Ehrfurcht,
denn kaum ein anderer Verlag ist so eng mit dem Genre der Fantasy
verbunden wie Klett-Cotta, die deutsche Heimstätte der Tolkien
Jünger, quasi die Ringschmiede selber, die gar nicht im Elbenland,
sondern vielmehr in Stuttgart steht, wahrscheinlich sogar direkt
bei Daimler und Porsche um die Ecke, denn warum soll man im Ländle
nicht auch Ringe schmieden können...Oder waren es Ränke...?
Und lauter Hobbits drucken die Bücher...au weia...
Doch weit gefehlt,
in diesem ganz und gar außergewöhnlichem Buch, eher Novelle
denn Schmöker, begegnen uns weder Zwerge noch brabbelnde und
umher latschende Krüppelkiefern (kicher), stattdessen umweht
"Die Stimme der Finsternis" der Wind aus 1001 Nacht. Tatsächlich
werden wir vielleicht sogar Zeuge der Erzählung aus der 1002.
Nacht.
Fasziniert taucht
man ein in die Erzählkultur des Morgenlandes, die sogar ein
finsteres Unwesen von seinem Tun abbringen kann und ihm menschliche
Züge zu entlocken vermag, indem es sich an sein eigenes Schicksal
erinnert und damit wiederum die Menschen anrührt. Hierbei gelingt
es den Autoren Tad Williams, Fantasy Freunden spätestens seit
seiner "Otherland" Saga bestens bekannt, und Nina Kiriki
Hoffman, mir wiederum gar nicht bekannt, sowohl die Ereignisse wie
die Protagonisten und vor allem den Antagonisten, den Vampir nämlich,
trotz der knappen Seitenzahl des Buches extrem präzise zu skizzieren,
so dass man am Ende der 169 Seiten den Eindruck hat, einer langen,
uralten, reichen Geschichte, fast einem Märchen, beigewohnt
zu haben. Man kann das Knistern des Lagefeuers förmlich hören
und den Rauch riechen, sich vorstellen wie die Leidgeprüften
nachts im Lager sitzen und ihre Weisen austauschen.
Dennoch muss
niemand die Befürchtung haben, er bekäme hier eine Art
Ali Baba Versatz oder etwas Wilhelm Hauff ähnliches vorgesetzt,
denn Williams und Hoffman lassen uns auch nicht vergessen, dass
wir es trotz allem auch mit einer waschechten Horrorgeschichte zu
tun haben, die sehr wohl einige ziemlich Gänsehaut verursachende
Momente für den Leser bereit hält.
Zwar hat der
Rezensent das Buch im Sommer bei 35 Grad Außentemperatur gelesen,
dennoch sei es besonders empfohlen für lange kalte Winterabende,
an denen man vielleicht auf der Suche nach etwas Stimmungsvollem
ist.
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