Wächter
der Nacht (OT:
Nochnoy Dozor)
Untertitel |
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Autor |
Sergej
Lukianenko |
Kategorie |
Roman |
Seitenzahl |
524 |
Format |
Paperback |
deutsche
Übersetzung |
Christiane
Pöhlmann |
Erstveröffentlichung |
1998 |
Verlag |
Wilhelm
Heyne Verlag, München |
ISBN-Nummer |
3-453-53080-2 |
Wächter
der Nacht, Sergej Lukianenko, 1998
Wächter
des Tages, Sergej Lukianenko, 1998
Wächter
des Zwielichts, Sergej Lukianenko, 1998
Wächter
der Nacht,
Timur Bekmambetow, 2004 (Verfilmung)
Vampire,
Gestaltwandler, Hexen, Magier - seit ewigen Zeiten leben die sogenannten
"Anderen" unerkannt in unserer Mitte. Und seit ewigen
Zeiten stehen sich die Mächte des Lichts und die Mächte
der Finsternis unversöhnlich gegenüber, zuückgehalten
nur durch einen vor Jahren geschlossenen Waffenstillstand. Zwei
Organisationen - den "Wächtern der Nacht" und den
"Wächtern des Tages" - obliegt es, das empfindliche
Gleichgewicht der Kräfte aufrecht zu erhalten. Doch nun droht
dieses Gleichgewicht zu kippen und die Welt ins Chaos zu stürzen...
Sergej
Lukianenkos Kultroman "Wächter der Nacht" - Nochnoy
Dozor - eine einzigartige Kombination aus Fantasy und Horror, die
die Vorlage für den erfolgreichsten russischen Film
aller Zeiten lieferte.
Nichts
ist so wie es scheint. Sicher, uns Menschen fehlt der Blick für
das Andere, vielleicht hatten wir ihn dereinst und er ist uns in
unseren ach so aufgeklärten Zeiten abhanden gekommen, vielleicht
konnten auch wir Menschen in alten Zeiten die Dinge schauen, die
sonst nur sie sehen können, die Anderen, die unerkannt mitten
unter uns leben, aber vermutlich würden wir es inzwischen gar
nicht mehr glauben, nicht mal wenn wir es selber sehen könnten.
Aber es gibt sie. Hinter der uns bekannten Ebene der Realität
existiert eine andere Ebene / andere Dimension /andere Wirklichkeit,
ein magisches Doppel der sichtbaren Welt: das Zwielicht. Doch nur
die Anderen können es betreten. Jene Anderen sind Magier, Tiermenschen,
Vampire, Gestaltenwandler, Heiler, Hexen, Beschwörer, und es
gibt die Lichten und die Dunklen, die sich von je her bekriegten.
Vor Jahrhunderten kam es zu einer gigantischen Schlacht der beiden
magischen Gegenpole, einem Scharmützel apokalyptischen Ausmaßes,
das beinahe die gesamte Welt ins Chaos gestürzt hätte.
Im letzten Augenblick schlossen die beiden Seiten einen Waffenstillstand,
der für alle Ewigkeiten Gültigkeit haben sollte. Damit
alle Statuten des immerwährenden Vertrags beidseitig eingehalten
werden, wurden drei Kontrollorgane geschaffen, die Wächter
der Nacht, die die lichte Seite repräsentieren, die Wächter
des Tages der Dunklen und die Inquisition, eine höhere Instanz,
die bei Vertragsverstößen sowohl vermittelt wie Recht
spricht.
Anton Gorodetzki,
Programmierer im Moskau der Gegenwart und lichter Magier zweiten
Grades, ist ein Wächter der Nacht. In einer kalten Winternacht
rettet er den jungen Jegor vor einer Vampirattacke und löst
damit eine Kette von Ereignissen aus, die nicht mal der weise Magier
Geser, der unter dem Namen Boris Ignatjewitsch die Moskauer Nachtwache
leitet, voraussagen konnte (oder doch?). Zudem trifft Anton auf
die Ärztin Swetlana, die mit einem fürchterlichen Fluch
beladen zu sein scheint, welcher ganz Moskau in einen infernalischen
Strudel der Vernichtung reißen könnte. Wie sich herausstellt,
ist Swetlana eine Andere mit unglaublichen Fähigkeiten, die
allerdings nichts von ihrem Schicksal ahnt. Eine Magierin mit solchen
Fähigkeiten wäre in der Lage, das uralte Gleichgewicht
empfindlich zu stören.
Schon beginnen
sowohl Geser wie auch Sebulon, der Führer der Dunklen, ihre
Intrigen rund um Swetlana und Anton, der längst zu einer wichtigen
Figur im großen Schachspiel geworden ist und sich nebenher
über beide Ohren in Swetlana verliebt hat, zu spinnen und setzen
dabei nicht weniger als das Schicksal der gesamten Menschheit aufs
Spiel.
Schließlich
muss Anton eine folgenschwere Entscheidung treffen. Soll er seiner
Liebe nachgeben, seinem Gewissen oder seiner Loyalität folgen?
Und wie er sich auch entscheiden wird, ihm ist klar, nichts wird
mehr sein wie es war, und irgendwer wird dafür büßen
müssen...
Ich gebe zu,
hier nur einen sehr, sehr groben Abriss der Ereignisse des Buches
wiedergegeben zu haben, aber letztlich ist die Geschichte, die in
drei aufeinander aufgebaute, mehr oder weniger abgeschlossene Handlungsstränge,
welche in drei Großkapitel aufgeteilt sind, angelegt ist,
viel zu groß und komplex, um sie mal eben in ein paar Zeilen
wiederzugeben. Freilich haben wir es hier - mal wieder - nicht mit
einer reinen Vampirstory zu tun, was nicht heißen soll, hier
gäbe es keine Vampire, denn derer kommen gleich mehrere in
dem Buch vor, sogar mindestens ein richtig sympathischer Vertreter
dieser Gattung (Antons Nachbar), aber es geht nicht in der Hauptsache
um Vampire oder der Jagd nach ihnen. Die Wächter der Nacht
sind keine Vampirjägerorganisation. Unter Umständen können
sie das sein, aber es ist nicht ihr eigentliches Anliegen. Tatsächlich
sind sie nicht mal im eigentlichen Sinne die "Guten",
so wenig wie die Dunklen um Sebulon die Bösen sind.
Sergej Lukianenkos
Geschichte um den ewigen Kampf zwischen Hell und Dunkel ist keine
naive, schablonenhafte "Gut-gegen-Böse" Geschichte
wie "Star Wars" oder "Herr der Ringe", wo die
Charaktere entweder abgrundtief fies oder nur edel und heroisch
sind, und genau das macht sie so interessant. Ambivalenz heißt
das Zauberwort. Die Lichten kämpfen zwar vorgeblich für
das Wohl der Menschheit, letztlich aber sind sie nur dazu da, den
Status Quo zu verteidigen, den alten Vertrag. Als sich ihnen aber
die Möglichkeit bietet, mit Hilfe der mächtigen Swetlana
einen entscheidenden Vorteil zu erringen, zögern weder Geser
noch die anderen erfahrenen Wächter, diesen auch gnadenlos
auszuspielen. Anton aber hat noch nicht einmal ein Menschenleben
gelebt und ist erst seit wenigen Jahren ein Wächter, weshalb
er noch in eher menschlichen Bahnen denkt. Doch auch er, der im
Buch um ein vielfaches sympathischer rüberkommt als im eigentlich
guten, aber leider bei weitem nicht der Vorlage gerecht werdenden
Film (wann hätte man so was auch jemals erlebt?), ist kein
reiner unbefleckter Held, denn auch er schreckt einstweilen vor
der Tötung eines Dunklen nicht zurück, wobei letztlich
mit Gesers Hilfe der Tatbestand zur Notwehr 'umgebogen' wird. Dem
jungen Jegor, der im Film zu einer Erlöserfigur Anakin Skywalker'schen
Ausmaßes hochstilisiert wird, erscheinen die Lichten weitaus
manipulativer als die Dunklen, mit denen er ja kaum zu tun hatte,
weswegen er sich eher instinktiv für sie entscheiden wird,
und Swetlana, längst von Geser in dessen Pläne eingebunden,
ist gewillt dem Weg der Zauberin Olga zu folgen, die einst als Sündenbock
für eine misslungene magische Intervention eine lange harte
Strafe verbüßen musste. Geser, der ihr Geliebter war,
hatte sie zum Wohle der Politik, des Status Quo eben, opfern müssen
und dies in Kauf genommen, ein Schicksal, vor dem Anton Swetlana
um jeden Preis bewahren möchte. Hell und Dunkel stehen sich
also kaum in ihrem Tun nach, der Leser wird sich somit schwer tun,
seine Sympathien entsprechend zu verteilen.
Wer nun glaubt,
das Buch sei aufgrund der Tatsache, dass es aus der Feder (dem Schreibcomputer)
eines russischen Autoren stammt (bzw. um exakt zu sein, eines kasachischen
Autoren, denn Lukianenko erblickte 1968 in Almaty, dem ehemaligen
Alma-Ata, der Hauptstadt der früheren Sowjetrepublik Kasachstan,
das Licht der Welt, wuchs dort auf und studierte auch an der örtlichen
Uni bevor er sich in Moskau als Psychiater niederließ), irgendwie
exotisch, vielleicht ideologisch geprägt von der alten Sowjetunion,
die in den (Beton)Köpfen unglaublich vieler Menschen aus dem
Westen noch immer zu existieren scheint, dem sei gesagt, dies ist
nicht so. Im Prinzip könnte die Geschichte genau so gut in
New York, in Sydney, Stockholm oder in Köln spielen, wenngleich
auch reichlich Moskauer Lokalkolorit bemüht wird, doch das
liegt ja nur daran, das ein Schriftsteller, der in Moskau lebt,
seine Geschichte in seiner gewohnten Umgebung spielen lässt.
Moskau ist hier weder Tummelplatz aller möglichen Spione, noch
trifft sich in jeder abseitigen Bar die Russen-Mafia oder ewig gestrige
Genossen planen im Plattenbau die nächste antiimperialistische
Panzerparade. Klischees werden einfach und selbstverständlich
ausgespart, der Autor beschreibt einfach das Leben in einer gegenwärtigen
Großstadt, und eben das, was sich parallel auf der Ebene der
Anderen abspielt.
Klar, Lukianenko
hat das Rad (respektive die Fantasy oder meinethalben auch gleich
die Phantastik) auch nicht neu erfunden, aber zumindest hat er dem
Genre durchaus einige neue reizvolle Aspekte hinzu gewinnen können.
Zugegeben, "Wächter der Nacht" hat auch Längen,
und besonders das erste Kapitel, das auch die Rahmenhandlung für
den Film liefert, ist etwas verworren aufgebaut, zudem macht es
uns Lukianenko nicht immer leicht mit der Auflösung der Ereignisse,
die nie vollständig aufgeklärt werden (da kann ja aber
noch einiges kommen, schließlich handelt es sich um eine Trilogie),
auch das eine oder andere Klischee lässt er nicht aus (die
dämonischen Gestalten der Dunklen im Zwielicht beispielsweise,
das kommt doch etwas John Sinclair-mäßig daher), dennoch
kann er im Prinzip die Spannung und das Niveau über die gesamten
524 Seiten halten und man muss letztendlich wirklich sagen, er hat
ein großes und ziemlich eigenständiges Werk verfasst.
Schade nur,
dass das Buch, das ja in Russland bereits 1996 herauskam, erst jetzt
im Fahrwasser des Films von Timur Bekmambetov auch in deutscher
Übersetzung vorliegt, denn man darf wohl davon ausgehen, ohne
die Wellen, die der Film in seiner Heimat schlug und den gigantischen
Erfolg verursachten, den er in Russland ja hatte, sowie ohne den
äußerst günstigen Faktor Zeit - man denke nur daran,
wie viel Geld die Tolkien-Trilogie von Peter Jackson eingespielt
hatte, und das so eben angefixte Publikum mochte sich durchaus für
noch mehr epische Kino-Fantasy begeistern lassen - wäre er
vermutlich auch nie in den westlichen Kinos gelaufen und mit enormem
Werbeaufwand gehyped worden, was wohl bedeutet hätte, das Buch
respektive die Bücher, denn derer sind es ja drei, wären
vermutlich hierzulande nie erschienen, auch und obschon sie in Russland
zu den größten Kultbüchern überhaupt gehören
und verkaufstechnisch locker Tolkien und Joanne Rowling überrundet
haben. Aber gut, wir wollen uns freuen, dass auch wir nun mitlesen
dürfen und freuen uns darauf, wie es weitergehen wird im nächsten
Band, der na wie wohl überschrieben sein wird?
Na klar, "Wächter des
Tages".
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