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Wächter der Nacht         (OT: Nochnoj Dozor)
AKA: Night Watch

Russland, 2004, Farbe, 114 min

Regie: Timur Bekmambetow
Produzenten: Konstantin Ernst, Karen Shakhnazarov
Drehbuch Timur Bekmambetow, Sergej Lukianenko
Musik: Yuri Poteyenko
Kamera: Sergej Trofimow
literarische Vorlage: "Wächter der Nacht" von Sergej Lukianenko
Konstantin Khabensky Anton
Galina Tunina Olga
Alexey Chadov Kostja
Viktor Verzhbitzky Sebulon
Dima Martynov Jegor
Mariya Poroshina Svetlana

 


Seit Anbeginn der Zeit stehen sich die Anderen, die Hüter des Lichts - Heiler, weiße Magier, Gestaltenwandler - und die Heerscharen der Finsternis - Vampire, Schwarzmagier, Hexen und andere schräge Finsterlinge - als unerbittliche Feinde gegenüber. Als sich schließlich in einer apokalyptischen Schlacht erweist, dass keine der beiden Seiten stärker als die andere ist, schließen die beiden Lager miteinander einen salomonischen Waffenstillstand, der einen absoluten Ausgleich beiderlei Aktivitäten garantiert. Auf jede gute Tat muss eine böse folgen, auf jede böse eine gute. Licht und Dunkelheit vergeben sich seither gegenseitig Lizenzen, beispielsweise für eine Heilung oder das Verhindern eines Attentates, für das wiederum im Gegenzug ein Vampir dazu lizensiert wird, das Blut eines Menschen trinken zu dürfen. Es herrscht ein Gleichgewicht der Kräfte. Um diese Balance auf ewig aufrecht zu erhalten, wurden einst die "Wächter der Nacht" und die "Wächter des Tages" gegründet, übersinnliche Polizeitruppen, die sich gegenseitig kontrollieren.
Doch einer alten Legende zufolge wird eines Tages ein mächtiger Anderer erscheinen, dessen Kräfte gewaltig sind. Egal für welche Seite er sich auch entscheiden wird, ob Licht oder Dunkelheit, das alte Gleichgewicht würde auseinander gerissen. Eine verheerende Schlacht, die alles Leben auf der Erde vernichten könnte, wäre die Folge...

Tausend Jahre später im Moskau der Gegenwart ist Anton Gorodezki ein "Nachtwächter", ein Beschützer des Lichts, der den Auftrag bekommt, den jungen Jegor vor der unlizensierten Attacke eines Vampirpaares zu beschützen. Zwar gelingt ihm dies, doch er ist gezwungen, den männlichen Blutsauger nach einem mörderischen Kampf zu töten. Das verwirrte Kind flieht, doch es befindet sich noch nicht in Sicherheit, da auch die verwundete Vampirin die Flucht ergreifen kann und auf Rache sinnt.

Nun tritt Sebulon, der Anführer der dunklen Anderen, auf den Plan, der erkennt, dass es sich bei Jegor um den Auserwählten aus der uralten Prophezeiung handelt. Mit seiner Hilfe will Sebulon nun das Gleichgewicht zu Gunsten der Finsternis verändern. Auch Anton, dessen Schicksal unausweichlich mit dem Jegors verbunden ist, soll seinen Anteil an den perfiden Plänen des finsteren Meisters haben.

Ein rasantes Rennen gegen die Zeit beginnt nun, in dessen Verlauf Anton auch noch einen bedrohlichen Fluch, der über einer jungen Ärztin schwebt und ganz Moskau zu zermalmen droht, abwenden muss. Letztlich wird ihm klar, dass er sich um die Balance zu retten zunächst seinen eigenen Dämonen stellen muss...


Wer hätte das gedacht? Die größte Überraschung der laufenden Saison kommt ausgerechnet aus Mütterchen Russland, das man ja als Kinonation so gar nicht mehr auf der Pfanne hatte. Zu Sowjetzeiten gehörte der Kinobesuch für die dort lebenden Menschen noch zum Standard, er versprach etwas Abwechslung für wenig Geld und nahezu jede größere Ansiedlung verfügte über ein Lichtspielhaus, während über die Dörfer weiland die fahrenden Kinematographen mit jahrzehnte alten schlecht untertitelten Hollywood-Schinken tingelten. Immerhin ging damals ein Russe im Schnitt rund 20 mal pro Jahr ins Kino (im Vergleich hierzu ein Deutscher nur rund 4 mal), doch dann brach bekanntlich die UDSSR zusammen und die freie Marktwirtschaft liebte fortan nur noch, was den Rubel rollen ließ und verschlang so viele Kinos, dass am Ende der 90'er Jahre im gesamten riesigen russischen Staatsgebiet nur noch rund 70 Filmtheater übrig waren (im Vergleich hierzu würde ich mal vorsichtig schätzen, dass allein im Großraum Rhein Ruhr mehr Kinos existieren.)

Filme zu drehen gehörte fortan nicht mehr unbedingt zu den lukrativsten Unternehmungen in Russland, denn anspruchsvolle Produktionen für den eigenen Markt schienen den Aufwand nicht zu lohnen und international betrachtet rechnete man sich kaum großen Chancen aus. Dennoch hatten Konstantin Ernst, größter Filmproduzent Russlands und Leiter der Sendeanstalt "Kanal 1", und Karen Shakhnazarov, Generaldirektor des Moskauer Filmstudios "Mosfilm", die Vision, das russische Kino neu entstehen zu lassen und produzierten gleich selbstbewusst mit "Nochnoj Dozor" den größten russischen Blockbuster aller Zeiten. In Russland spielte der Streifen, der für ein an amerikanischen Verhältnissen gemessen geradezu lächerliches Budget von vier Millionen $ entstand (von denen ein nicht unerheblicher Teil aus den Werbetöpfen eines Mobiltelefonherstellers wie eines Instantkaffeebrauers geflossen sein dürften) mit rund 16 Millionen $ locker mehr ein als Filme wie "Star Wars", "Herr der Ringe" oder auch "Harry Potter", was aber gar nicht sooo sehr verwundert, denn zum einen ist der Film gewiss eine Zier, die die russische Seele streichelt (das sag ich jetzt einfach mal so und meine das auch lieb!), zum anderen schlug bereits die literarische Vorlage (hier) von Sergej Lukianenko, dem erfolgreichsten russischen Science Fiction und Fantasy Autoren der Gegenwart, alle Rekorde in Russland.

Lukianenko schrieb dann auch gleich zusammen mit Regisseur Timur Bekmambetow, einem Mann, der sich wie so viele talentierte Leute aus dem Regiefach zuvor hauptsächlich mit Werbung und Videoclips sein Geld verdiente, das Drehbuch, das allerdings nicht an allen Stellen dem Buch entspricht, denn vieles wurde gestrafft und einiges gänzlich geändert. Es schien auch, dass Bekmambetow von vornherein eine ganz klare Vorstellung davon hatte, wie der Film am Ende aussehen sollte, und diese Vorstellung ging nicht immer mit Lukianenkos Vorgabe konform (zumindest meinem Empfinden zufolge nicht), denn der Regisseur verpasste dem Film einen coolen modernen Look, der einstweilen an Blade, Underworld oder auch ein wenig an "Matrix" erinnert, dennoch aber eigenständig genug und nicht gar so gelackt und durchgestylt wie die amerikanischen Produktionen daher kommt. Dafür sorgt schon allein die morbide Atmosphäre des winterlichen Moskaus. Der gebrochene und nicht allzu sympathische Held Anton, der übrigens hier deutlich nicht dem literarischen Vorbild entspricht, ficht seine Kämpfe gegen die "Finsteren" in heruntergekommenen Hausfluren und kaputten Hinterhöfen aus, die "Lichten" düsen in abgewrackten Lastern der Stadtwerke statt mit schmucken Hightech Sportwagen umher.

Etliche Dinge aus dem Buch hat man vermutlich aufgrund des knappen Budgets nicht besser hinbekommen können. So sind auch sicherlich einige der Spezialeffekte nicht ganz auf der Höhe der Technik, was aber völlig ok geht, schließlich ist mir gerade in dem Bereich solide Handwerkskunst allemal lieber als der digitale Overkill manch einer Hollywoodproduktion. Über kleine Fehler wie zum Beispiel über das schlecht sitzende Latex Make up der Vampirin auf der Hatz nach Jegor oder latente Peinlichkeiten wie die in Zeitraffer gedrehten Verfolgungsjagden mit den flammendem Auspuffrohren sehen wir mal geflissentlich hinweg. Und obschon (gerade wenn man das Buch nicht gelesen hat) der Film einstweilen etliche Fragen offen lässt und an manchen Stellen eine nur schwer nachvollziehbare Handlung zu bieten hat, so ist "Nochnoj Dozor" doch ein kleines finsteres Meisterwerk geworden und unglaublicherweise mal eben der beste Vampirfilm des Jahres, wenn er auch kein reiner solcher und insgesamt vielleicht doch eher dem Fantasy Genre zuzuordnen ist. Gut, ich gebe zu, man muss nicht wirklich ein Schelm sein, um Arges bei der Handlung zu denken, will sagen, wer sich vielleicht einstweilen an George Lucas Jedisoap mit dem finsteren Asthmatiker erinnert fühlen mag, dem kann ich das nachfühlen, aber auch der goldnasige Lucas war ja kein alleiniger kreativer Genius, dem die Inspiration nur so in den Schoß purzelte, denn auch und gerade er hat ja seinen Sternenkrieg überall zusammengeklaut, von Eschenbachs "Parsifal" über die Grimmschen Märchen bis hin zu allerlei fernöstlichen Philosophien. Gut gegen böse ist halt nicht mehr die allerneueste Idee, funktioniert aber immer wieder prächtig!

Interessanterweise haben die "Wächtern der Nacht" solche Wellen geschlagen, dass man auch recht bald in Europa und den US von A auf sie aufmerksam wurde. Die 20th Century Fox sicherte sich die internationale Vermarktung und startete die größte Werbekampagne für einen internationalen Film in der gesamten Firmengeschichte, in Deutschland wird der Film von Pro7 präsentiert und mit großen Gewinnspielen bedacht und entsprechend beworben. Man setzt also große Hoffnungen auf den Film, der als erster Teil einer Trilogie konzeptiert wurde. Der zweite Teil, "Wächter des Tages", soll schon abgedreht sein, und da man diesmal einige internationale Partner an Bord hatte dürfte sich das Budget sicherlich vervielfacht haben. Es wird gemunkelt, der dritte Teil solle ausschließlich mit amerikanischem Geld in den Staaten gedreht werden, komplett in englisch. Dann wird man allerdings vermutlich auf die für uns noch ziemlich unverbrauchten russischen Schauspieler verzichten und sie durch amerikanische ersetzen müssen, was sicherlich kein allzu geschickter Schachzug wäre. Es wird aber auch gemunkelt, die Fox plane ein komplett amerikanisches Remake zu der Saga, in der die Handlung, was Wunder, kurzerhand in die USA verlegt wird und vermutlich Stars vom Kaliber eines Nicolas Cage oder Brad Pitt mit den Hauptrollen betraut werden dürften. Dabei ginge allerdings zweifelsohne viel vom rauen Charme des Originals verloren. Aber noch ist es ja nicht so weit. Jetzt lesen erst mal fleißig alle Lukianenkos Buch, bei dem man zugegeben ein paar Längen umschippern muss, es lohnt sich aber dennoch!, und dann freuen wir uns auf die Fortsetzung dieses vielversprechenden Einstands, gelle?

       


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