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Nachtmahr     (OT: The Tale of the Body Thief )

Untertitel Ein Roman aus der "Chronik der Vampire"
Autor Anne Rice
Kategorie Roman
Seitenzahl 539
Format Paperback
deutsche Übersetzung Rainer Schmidt
Erstveröffentlichung 1992
Verlag Goldmann Verlag
ISBN-Nummer 3-442-43400-9

Interview mit einem Vampir - (Originaltitel: Interview With the Vampire)
Der Fürst der Finsternis - (Originaltitel: The Vampire Lestat
Die Königin der Verdammten - (Originaltitel: The Queen of the Damned)
Nachtmahr - (Originaltitel: The Tale of the Body Thief)
Memnoch der Teufel - (Originaltitel: Memnoch the Devil)
Armand der Vampir - (Originaltitel: The Vampire Armand)
Pandora (Originaltitel: Pandora)
Vittorio - (Originaltitel: Vittorio, the Vampire)
Merrick oder die Schuld des Vampirs - (Originaltitel: Merrick)

Seit über zweihundert Jahren ist er nun schon der Rebell unter den Vampiren, der unbestrittene König der Nacht: Lestat de Lioncourt, eine Legende im Reich der Untoten wie der Lebenden. Doch Lestat sehnt sich danach, zu seiner vergessenen Existenz als gewöhnlicher Mensch zurückzukehren, und ergreift deshalb die Gelegenheit, für kurze Zeit seinen Körper mit dem eines Sterblichen zu tauschen. Als dieser nicht zurückkehrt, beginnt Lestats verzweifelte Suche nach dem "Körperdieb". Und die Zeit drängt, denn der Usurpator hat bereits eine blutige Sopur quer durch die Vereinigten Staaten gezogen...

"Die betördendste Beschwörung des Bösen, die es je zu lesen gab.", Publishers Weekly

Wieder einmal langweilt sich der unsterbliche Alleskönner-Vampir Lestat de Lioncourt ganz schrecklich. Eben noch hat er in Miami einen Serienmörder gestellt und leer gelutscht, da stellt er auch schon wieder seinem menschlichen Freund David Talbot, dem Leiter der Talamasca, einer Organisation, die sich der Erforschung des Übernatürlichen verschrieben hat, nach. Lestat spürt, das David, der inzwischen 74 Jahre alt ist, nicht mehr lange zu leben hat, und bietet ihm abermals "das Geschenk der Finsternis" an, mit anderen Worten, ihn zu einem Vampir zu machen. David lehnt ab.
Dies frustriert Lestat so sehr, dass er versucht, seinem Dasein auf höchst ungewöhnliche Art ein Ende zu setzen, er will sich in der Wüste Gobi von der Sonne verbrennen lassen. Doch der Arme ist inzwischen so mächtig, das unser Fixstern zwar ein wenig an ihm herumkokelt, ihn aber keinesfalls vernichtet. Wiederum flüchtet er zu David Talbot und führt allerlei philosophische Diskussionen über Gott, den Teufel, Goethes Faust, den Maler Rembrandt und warum der so toll ist und allerlei weitere Themen mit ihm.

Schon ist das halbe Buch vorbei, da beginnt erst die eigentliche Geschichte. Lestat begegnet Raglan James, einem hochgradig übersinnlich begabtem Mann, der ihn zu einem Experiment zu überreden versucht, welches Lestat einfach nicht ablehnen kann: er schlägt dem Vampir einen Körpertausch vor. James wäre für zwei Tage im Körper Lestats und könnte das Dasein der Blutsauger erforschen, Lestat wäre nach über 200 Jahren wieder ein Mensch und würde all das empfinden, wonach er sich doch so sehr sehnt, Hunger, Durst, Essen, Trinken, Sex, alles was den Menschen ausmacht.

Der geschwätzige Lestat kann natürlich nicht anders, als jedem, den er kennt, von dem bevorstehenden Abenteuer zu erzählen. Er schlägt alle Warnungen, den Tausch einzugehen, in den Wind. Noch nicht einmal Talbots Berichte über James Skrupellosigkeit hindern Lestat an seinem Vorhaben, und Raglan James ist dem Talamasca-Oberen sehr wohl bekannt, war dieser doch ehemals selber ein Mitglied des Geheimbundes, der aber wegen seines verbrecherischen Wesens ausgeschlossen wurde. So vollzieht der mächtige Vampir den Tausch und findet sich tatsächlich in dem prächtigen menschlichen Körper eines jungen Mannes wieder.

Doch schon beginnen die Probleme. Natürlich kehrt Raglan James mit Lestats vampirischen Körper nicht wieder zum vereinbarten Treffpunkt zurück. Stattdessen stiehlt dieser große Mengen von Lestats Vermögen und ermordet den New Yorker Agenten unseres Helden. Und das Morden geht weiter. Der verzweifelte Lestat, nunmehr nur noch über die Kräfte eines Sterblichen verfügend, wendet sich an seinen alten Freund Louis und beschwört diesen, ihn zu vampirisieren, damit er zumindest eine geringe Chance hat, seinen Körper zurückzubekommen, denn schon ist ihm das schwache menschliche Dasein wieder verhasst. Doch Louis weigert sich und die Alten wie Marius wenden sich demonstrativ von Lestat ab.

Die letzte Hoffnung ist nun David Talbot. Wird dieser ihm helfen und wird es den beiden Menschen gelingen, den Körperdieb in Lestats mächtiger Hülle zu stellen und den Vampir zu seinem eigenen Ich zurückzubringen? Und wird all die Körpertauscherei noch zu weiteren Verwicklungen führen?


Als Anne Rice 1991 "The Tale of the Body Thief" vollendete, war Interview with the Vampire, ihr hochgeschätzter Erstling, bereits 17 Jahre alt. Bestimmt war Mrs. Rice zu jener Zeit Anfang der 90er der Meinung, inzwischen eine viel bessere Autorin als damals zu sein, denn sie hatte ja inzwischen einige Bücher verfasst und konnte auf einen entsprechenden Erfahrungsschatz zurückgreifen. Doch warum nur hat Anne Rice nie wieder einen Roman hinbekommen, der so begeistern konnte wie das "Interview"? Und mehr noch, beim "Nachtmahr" (was eigentlich soll dieser doofe deutsche Titel, der ja nun so gar nichts mit dem englischen Original zu tun hat?) wurde es zum ersten mal streckenweise richtig ärgerlich.

Warum dies, möchte nun der werte Leser wissen, und wir möchten es nicht länger vorenthalten.

Also: Tatsache ist, Teil eins des Buches beschränkt sich mehr oder weniger auf gekonntes philosophieren. Wir werden Zeuge ausschweifender Diskussionen zwischen Lestat und David Talbot (hauptsächlich, aber nicht ausschließlich) über den Sinn von Leben und Tod, der Existenz Gottes und des Antichristen oder Teufels, der Bedeutung der Seele und was das Wesen der Menschen ausmacht, den Sinn von "Gut" und "Böse" und allerlei anderer Dinge, über die man so in schlaflosen Nächten nachsinnen mag. Die große Überraschung des Buches ist die, das dieser erste Teil keinesfalls langweilt (zumindest nicht, wenn man sich ein wenig für Philosophie und Theologie interessiert), sondern vielmehr der wesentlich interessantere Part des Ganzen ist.

Die Geschichte um den Körpertausch / -dieb und wie Lestat seinen Leib zurückbekommt (oder auch nicht, dies sei hier nicht verraten!) birgt leider keine größeren Überraschungen, ist eigentlich sogar bis zur letzten Seite vorhersehbar und ziemlich simpel gestrickt. Es wirkt beinahe, als sei dies nur ein leidiges Vehikel, um das Rice'sche Gedankengut betreffs des menschlichen Daseins unter die nach neuem Vampirstoff gierende Anhängerschaft zu streuen. Scheinbar hatte die Autorin zwar noch jede Menge Vergnügen an ihren Figuren, speziell an Lestat, den sie ständig zwischen den Polen gottgleicher Übermensch (respektive Vampir) und messianische Leidensfigur pendeln lässt, was, mit Verlaub, auf die Dauer ganz schön auf die Nerven geht, nicht aber an dem Metier selber, sprich am Horror- oder meinethalben am phantastischen Genre, warum auch immer. Ständig verzettelt sich Rice, schweift vom Thema ab, lässt Lestat über sich selber schwafeln und wie toll er ist. Das alles führt in letzter Konsequenz dazu, dass sich im Laufe des Buches - je länger, je mehr - gepflegte Langeweile ausbreitet. Am spannendsten ist es immer wieder dann, wenn irgendwelche Ereignisse ihrem Ende zugehen, denn dann kann man überprüfen, ob man recht mit seiner Orakelei hatte, wie es denn nun enden würde. Doch keine Angst, zumeist trifft dies zu!

Ungewohnt explizit geht Frau Rice diesmal allerdings in erotischer Hinsicht zu Werke, denn nun wird tatsächlich ausgesprochen, was zuvor in den vorhergegangenen Romanen nur andeutet wude. Und wie! Jeder hat was mit jedem, vorzüglich Kerle mit Kerlen, aber auch die Hetero-Erotik kommt diesmal zum Zuge, zum Beispiel als der in dieser Hinsicht recht unerfahrene Lestat in seinem gerade erst "bezogenen" menschlichen Körper quasi eine Vergewaltigung begeht, oder später, als er eine Beziehung zu der zweifelnden Nonne Gretchen hat. Leider scheint dies aber nicht so das Thema von Anne zu sein, denn ihre Schilderungen wirken unerfahren und hölzern. Leider keine betörende Beschwörung des Bösen, wie der deutsche Verlag so gern auf die Cover der Anne Rice Bücher zu schreiben pflegt.

Ein Wort vielleicht noch zu der deutschen Übersetzung von Rainer Schmidt, der übrigens für noch keinen der Vorgängerromane übersetzerisch tätig war. Zwar kenne ich in diesem Fall den Originaltext nicht, doch empfinde ich Schmidts Arbeit die Wortwahl betreffend und teilweise auch den übertrieben prosaischen Stil pflegend, nicht immer als glücklich. Wäre dies das Werk eines deutschsprachigen Autoren bzw. einer Autorin gewesen, hätte ich es als sprachlich eher ungelungen eingestuft. Dies ist natürlich nicht Anne Rice Schuld, doch wer des englischen hinlänglich mächtig ist, der greife doch eher zum Original.

Ziehen wir ein Fazit: "Nachtmahr" ist das bis dahin schwächste Werk der Vampirchroniken. Was sich im Vorgängerroman Königin der Verdammten bereits abzeichnete, trägt sich hier fort, nämlich der Eindruck, Frau Rice gehe allmählich die Puste, will sagen, sowohl die Ideen wie das Interesse an den Vampirchroniken aus. Doch die zahlende Leserschaft zog es vor, die aus der Reihe fallenden Romane der Autorin zu ignorieren und sich lieber weiterhin auf die Vampirromane zu stürzen. Es liegt mir natürlich fern, Rice ein ledigliches kommerzielles Interesse an den Büchern zu unterstellen, denn dafür geriet dieser Roman ja auch deutlich zu philosophisch = unkommerziell für das mutmaßlich angepeilte Zielpublikum, welches sich vermutlich in der Hauptsache (wie bei den meisten Multimillionen-Dollar-Autoren) aus dem Mainstream rekrutiert. Dafür wiederum gebührt ihr Lob. Dennoch hätte mich ein gut gemachtes, facettenreiches, pralles Buch a la "Interview" wesentlich mehr gefesselt und gefreut. "Nachtmahr" wirkt ein wenig wie der unfreiwillige Abgesang auf etwas einst großes, gelungenes, das aus unerklärlichen Gründen auf Abwege geriet und nun nur noch eine periphere Rolle spielt. Anne Rice hat es scheint's irgendwie und irgendwo vergeigt.


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